Interview mit Camgirl Katja Lakatos | Covergirl LadyFeverMAGAZIN 13/2014

LF: Die „verkaufBanner vom LadyFeverMAGAZIN 13/2014-Katja-Lakatosst“ Dich über Dein Webcam-Profil als knallharte und sehr dominante Person und sprichst damit ein ganz spezielles Klientel an. Entspricht diese „Rolle“ Deinem naturell, oder musst Du Dich hierfür auch ein Stück weit verstellen? Also: Wie viel echte Katja erlebt der Besucher Deiner Cam auf VISIT-X?

Katja Lakatos: Oh, das ist so nicht ganz richtig. Ich biete für diejenigen Seitenbesucher, welche nach einer Domina suchen, meine Dienste als selbige an – soweit stimmt das.
Primär ziele ich jedoch darauf ab, mich selbst in allen Facetten, die ich besitze, zu präsentieren: Mal als gut gelauntes Mädel mit Bier und Kippe, das in Jogginghosen auf plauderwillige Gäste wartet und da dann über Gott und die Welt quatscht, mal als Fetischgöttin, die im hautengen Lack-Catsuit böse Blicke verteilt, mal als Partyluder, das grade auf dem Weg zu irgendeinem Event ist und noch ein bisschen vorglühen möchte, mal dies, mal das. In mir gibt es aber auch diese andere, härtere Seite.
Ich glaube, das hat mehr mit Schauspieltalent und einer Fähigkeit, aus sich selbst herauszugehen, zu tun als mit Veranlagung und dem unreflektierten Ausleben selbiger. Dann könnte ich nicht von einer Sekunde auf die nächste von “Ja, Sweetie, wichs’ mir Deine geile Sahne auf die Titten” zu “Und jetzt auf die Knie mit Dir, Du wertlose Ratte, und wage es nicht, Deine hässliche Visage zu heben” umzuschwenken je nachdem, welcher Besucher sich grade in meinen Chat einklinkt.

100-Prozent authentisch: Camgirl - Katja Lakatos

100-Prozent authentisch: Camgirl – Katja Lakatos

Generell erlebt der Besucher meiner Cam einhundert Prozent Authentizität. Es gibt Tage, an denen habe ich zunächst wirklich einfach keine Lust, mich vor die Kiste zu hocken und dann erzähle ich das auch frei Schnauze jedem, der ‘reinschaut, und einige bleiben dann tatsächlich bei mir und quatschen mit mir und alles ist gut (oder wird besser, vielmehr) – und dann gibt es Tage, da gehe ich voller Motivation und gut gelaunt an die Sache ‘ran und zwei, drei Arschlöcher verhageln mir so dermaßen die Laune, dass ich einfach die Kamera wieder abschalte und mich mit meinen Katern vor die Glotze hänge. Weil dann einfach nichts mehr zu retten ist. Frage dann meist: “Hat die Klapse heute wieder den Tag der offenen Tür missinterpretiert?” Sicheres Zeichen, dass bei mir nichts mehr zu holen ist, wenn der Spruch kommt. Ich bin auch nur ein Mensch und für kein Geld der Welt würde ich mir den Mund verbieten oder mich dazu nötigen lassen, mich anders zu verhalten, als es von meiner inneren Verfassung her gerade aufrichtig wäre. Letzterer Aspekt sieht natürlich ganz anders aus, wenn ich für eine Produktion am Set bin. Da geht es nicht um die werte Befindlichkeit der Diva Lakatos, sondern da wollen die Leute Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Leistung auf den Punkt und da habe ich inzwischen gelernt, zu differenzieren: Hier die Katja Lakatos, da die Person dahinter. Fiel dem kleinen Egomonster hier aber zugegeben zu Beginn doch noch sehr schwer.

LF: LadyFever.de ist eine Plattform, auf der Escort-Ladys und Callgirls Ihre Dienstleistungen anbieten. Wäre Escort in Deutschland auch etwas, was Du Dir vorstellen kannst? Hier liegt der Fokus ja nicht ausschließlich beim „Sexworking“?

Katja Lakatos: Nein, das wäre nichts für mich. Siehe Stichwort „Authentizität“. Das passt einfach absolut nicht zu mir. Wenn ich in die Oper gehe, dann, weil ich in die Oper gehen will und nicht, weil irgendein Typ mit Kohle und dickem Auto mir ein Abendkleid und ein Dauerlächeln für -zigtausend Euro abnötigt, um sich zu profilieren.

LF: Gab es schon „Shopping-Sklaven“, die Ihren „Arsch nach Leipzig geschafft“ haben? (O-Ton Deines Steckbriefes.) Oder ist das eher ein PR-Gag?

Katja Lakatos: Der größte PR-Gag bin hier erst einmal ich. (lacht laut auf) Scherz. Oder auch nicht, wer weiß. Ich begreife bis heute nicht, warum ich mich über Wasser halten kann in dieser Branche, und musste deshalb eben kurz schmunzeln. Es soll Leute geben, die mich seit dem ersten Tag mit Argusaugen beobachten und die mir jeden noch so kleinen Erfolg missgönnen. Diejenigen können nun beruhigt aufatmen: Noch ist keiner mit der schwarzen Karte hier aufgetaucht, der mich finanziell genagelt hätte. Witzig wär’s aber sicherlich. Also, ihr kleinen „Zahlschlampen“: Her mit Euch, feiges Pack!

LF: Was war für Dich das lustigste Erlebnis, das Du vor Deiner Cam erlebt hast, und gab es auch schon einmal Situationen in denen Du die Verbindung von Dir aus unterbrochen hast? Falls ja, was ist dort passiert?

Katja-Lakatos im LadyFeverMAGAZINKatja Lakatos: Es gibt einfach Leute, die schlagen mir aufs Gemüt. Die Ausdrucksweise, die Manieren (respektive das Nichtvorhandensein selbiger). “Hey!!!11einseinself du Fodze zeig mier sofort Dein Arsch ich ZAHLE nutte” – okay, gut, Dich bannen wir dann einfach mal für die nächsten 30 Tage aus dem Chatroom. Stichwort “Tag der offenen Tür”. Und an einigen Tagen steht der Mond irgendwie ungünstig, glaube ich, denn da hast Du nur solche Vollhonks und Kackfrösche im Chat und da verpisse ich mich dann missmutig und lasse sie ihre dicken Eier eben woanders entladen. A camgirl is not a dustbin.
Es gibt da aber eine Ausnahme.
Wenn ich viel Betrieb und gute Laune habe, mache ich mir aus den Wortmeldungen dieser kognitiv desorientierten Erektionsspaten immer einen Themen-Talkshow-Spaß, indem ich das, was sie absondern, laut vorlese (zur Erklärung – ich sende grundsätzlich mit Mikrofon, weil ich tippfaul bin und es hasse, den “Flow” einer Liveshow zu zerstückeln). Meine Chatgäste fallen da meist lachend vom Stuhl und ich moderiere fleißig vor mich hin: “Peter123, der Marcel99 meinte soeben, Du solltest Dir doch lieber einen Porno ‘reinziehen, statt uns hier zu stören. Ah, und HeavyCock1990 meint, Du seist zu früh abgestillt worden. Dieser Meinung schließe ich mich an. Willst Du uns noch was mitteilen?”

LadyFever_KatjaLakatos (19)Genau solche Dynamiken sind es, die mir dann auch die angenehmsten Chatsessions bescheren – und meinen Gästen wohl auch, da sie zwar nicht so ganz kapieren, warum sie, die sie sich eigentlich für zwei Euro pro Minute auf ein liebreizend lächelndes Weibchen mit eingeölten Naturtitten in 70 G einen keulen wollten, nun heftige Diskussionen mit anderen Nutzern führen, die ich im Hello-Kitty-Morgenmantel munter moderiere, aber nun gut!

LF: Gibt es Deiner Meinung nach noch „echte“ Pornostars, oder hat sich dieses Bild mit dem Internet und den vielen Amateur-Cams derartig gewandelt, dass es die „echten“ Stars in dem Sinne gar nicht mehr gibt? Andersherum gefragt, wer sind für Dich aktuell die männlichen und weiblichen Porno-Stars?

Katja Lakatos: Als ich angefangen habe, ging es darum, mir einen Künstlernamen zu überlegen, der mein gesamtes Spektrum des Menschseins in sich vereint. So kam es zu Katja Lakatos: Lakatos nach Imre Lakatos, von dem ich zu Studienzeiten einiges lesen durfte, und Katja von Katja Kassin, der Analspezialistin aus Leipzig, die nun in Amerika ein inzwischen aus meiner Sicht leider befremdliches Dasein pflegt. Das ist jetzt zehn Jahre her. Katja Kassin ist ein Name, den man allgemein noch kennt. Und vor ihr gab es eine Sylvia Saint, eine Dolly Buster, eine Gina Wild – verdammt, das waren noch wirklich große Namen. Inzwischen weichen die Grenzen doch sehr auf und ich sehe mit Entsetzen, dass mancher frühere Star sich plötzlich auf Amateurseiten verdingt. Ich glaube, das war so nicht geplant und sollte auch ursprünglich nicht so sein. Für manche Leute stellt das aus meiner Sicht einen signifikanten Gradmesser für den beruflichen Totalabsturz dar. Die Richtung sollte doch eigentlich lauten: Hey, wir haben hier eine Plattform, auf der jeder sich präsentieren kann. Wer besonders gut ist, durch Talent, Aussehen und positive Ausstrahlung beim Publikum großen Resonanz  findet, dem sind die Türen in Richtung Starruhm hiermit geöffnet. Obwohl ich glaube, dass es auch für Leute wie Cara Cum, Merry4Fun und Lara Love immer ein Makel bleiben wird, dass sie “ja mal als Amateure” angefangen haben. Das kann aber ein Irrtum sein, das ist nur meine persönliche Einschätzung.
Katja Lakatos im Interview des LadyFeverMAGAZIN 13/2014Der andere Aspekt -man mag mir meine Ausführungen hierzu nun als elitäre Herablassung anlasten, das kann ich ab- ist aus meiner Sicht, dass es schon Gründe hat, dass manche Mädels und Jungs direkt nach wenigen Produktionen schon zu Stars werden, während andere ewige Jahre im Amateursumpf herumdümpeln. Damit meine ich: Es sollte noch echte Stars geben, die ein wenig Unerreichbarkeit vermitteln, ein Geheimnis bergen. Aktuelles Beispiel ist für mich der amerika-nische Pornodarsteller Owen Gray. Und es sollte eine klare Trennung zwischen genau diesen Stars und den pickligen Hartz4 Aufstockerinnen geben, die meinen, dass das Vorhandensein sekundärer weiblicher Geschlechtsteile schon ausreichend sei, um damit sein Geld zu verdienen, weil man sich mal eben im unaufgeräumten Zimmer mit grünlich blubberndem Aquarium im Hintergrund vor die 29,99-Euro-Webcam hängen und mit fünf FPS eine Stunde oder zwei auf einer Chatseite herumgondeln kann, während die Sportschau läuft. Motto: Irgendein Idiot wird sich schon finden, der mir meine heutigen zehn Euro einbringt. Das kann’s nicht sein. Dadurch wird die gesamte Amateurbranche abgewertet und jeder, der von sich sagt, zu seinen Referenzen zähle unter anderem eine mehrmonatige oder mehrjährige Tätigkeit als Livecamgirl, wird abgestraft und unter den Generalverdacht der Schmuddeligkeit gestellt. Das ist mir selbst nun mehrfach widerfahren und wurmt mich ganz massiv. “Camgirl, ah, hast wohl sonst nix auf dem Kasten?” – Falsch, mein pelziger Freund, ganz falsch.

LF: Wie fällst Du für Dich wichtige Entscheidungen? Schläfst Du eine Nacht darüber, oder machst Du Dir eine Checkliste? Bist Du eher emotional bei der Entscheidungsfindung oder gehst Du analytisch vor, oder steht Dir gar ein „Berater“ bei diesen Fragen zur Seite?

Katja Lakatos: Berater hatte ich nie, brauche ich nicht und werde ich mir auch nie zur Seite nehmen. Das sind aus meiner Sicht nur Leute, die sich über ihre Pferdchen profilieren, statt selbst was auf die Beine zu stellen. Stichwort Manager, Stichwort Camgirl-Agentur: Wenn ich sehe, wie den Mädchen da teilweise Look, Name und Habitus oktroyiert werden, könnte ich persönlich ausflippen. Denn vielleicht ist der Erfolg in der Cambranche einer, der nicht jedem vergönnt ist und durch derartige Helfer und Helfershelfer, die das Management eines Mädels übernehmen, kommen viel zu viele unemanzipierte Weibchen nach oben, die von sich aus so rein gar nichts mitbringen außer einem Mangel an Selbstrespekt und einem hyperflexiblen Rückgrat. Das bestärkt die leider noch immer geltende patriarchalische strukturelle Dominanz der Erotikszene, was insbesondere deshalb pervers ist, weil die Branche ohne die weiblichen Darstellerinnen ja überhaupt nicht exisitieren würde. Außerdem wird darüber hinaus die weibliche Solidarität, welche zwischen uns Models entstehen könnte, im Keim erstickt, indem Konkurrenzdenken geschürt und Gerüchte gestreut werden, nur um die eigenen Felle ins Trockene zu bringen. Das bestärkt widerum diverse Anbieter, die ihrerseits die Hilflosigkeit und Abhängigkeit ihrer Camgirls so rigoros ausnutzen, dass es mir den Magen umdreht. VISIT-X schätze ich deshalb so sehr, weil die hinter den Kulissen fähige Menschen mit Hirn und Moral sitzen haben, an die Du Dich jederzeit wenden kannst, wenn es irgendwo hakt. Generell vertraue ich meinem ersten Impuls, sprich, meinem Bauchgefühl. Es hat noch nie etwas langfristig funktioniert, was mir nicht von der ersten Sekunde an ein Strahlen aufs Gesicht gezaubert hat, während sich für jeden Außenstehenden unrentable Projekte schon zu wahren Emotionsjungbrunnen gemausert haben. Ich arbeite nicht nur fürs Geld, sondern ich möchte mein Geld mit Spaß verdienen. Mein Motto lautet seit langer Zeit schon: Ich möchte nicht nur deshalb in einen Spiegel schauen können, weil er mir gehört.

LF: Wo möchtest Du in fünf Jahren stehen?

Katja Lakatos: Die Frage ist für eine inzwischen 32-jährige, die im elften Jahr in dieser KATJA-LAKATOS-Interview-LaadyFever.deBranche arbeitet, schmerzhaft. Denn wo kannst Du im Alter von 37 Jahren dann stehen? So hochselektiv, wie die höheren Riegen der Branche und der “lower High Society” agieren, kommst Du aus der Amateurschiene kaum noch heraus und hoch, wenn Du jenseits der 20 bist. Du bist da einfach verbrannt. Da juckt es grob gesagt kein Schwein, ob Du intelligent, wortgewandt oder schauspielerisch talentiert bist. Du bist einfach nur “das ehemalige Camgirl” (sofern Du überhaupt den Absprung geschafft hast).

Ich bemühe mich aktuell nach Kräften, mich vom Makel des Camgirl-Daseins zu befreien, bewerbe mich um Moderatorenjobs, Modeljobs, Interviews, TV-Produktionen und so weiter – aber es ist hart, wieder und wieder zu hören: “Hey, Du bist echt toll, aber Du bist halt nicht mehr frisch genug und hast da diese Vergangenheit, hm, bitte die nächste Kandidatin.” Trotzdem kämpfe ich weiter.

Ich möchte tatsächlich irgendwann eine derjenigen sein, über die Mädels in meiner derzeitigen Situation sagen: Nein, ich bleibe am Ball, die Katja Lakatos hat das damals auch geschafft. Nicht, dass ich mich als Star empfinden würde, so meine ich es nicht. Ich orientiere mich dabei nun primär an einer Analogie zu Gina Wild, Michaela Schaffrath, die aus der Pornoszene den Aufstieg in die seriöse Geschäftswelt geschafft hat, oder an einer Dolly Buster, die von der Pornodarstellerin zur Autorin und angesehenen Malerin avanciert ist. Es geht. Man muss nur selbst an sich glauben – besonders dann, wenn es außer einem selbst niemand tut. Und ich glaube an mich.